Im deutschen Recht herrscht Vertragsfreiheit. Danach dürfen volljährige Personen grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob sie einen Vertrag schließen wollen und zu welchen Konditionen, z.B. also bei einem Kaufvertrag den Kaufgegenstand und Preis frei bestimmen. Allerdings findet die Vertragsfreiheit ihre Grenzen im Fall einer Sittenwidrigkeit des Vertragsinhalts. Wenn etwa bei einem Ehevertrag einer der Eheleute im Scheidungsfall völlig rechtlos gestellt werden soll, wird ein Gericht unweigerlich zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Vertrag gegen die guten Sitten verstößt, damit nichtig und unwirksam ist.
Auch ein vor einem Notar geschlossener Erbverzicht, also ein Vertrag in dem ein künftiger Erbe gegenüber dem noch lebenden Erblasser auf sein späteres Erbe gegen Abfindung verzichtet, kann sittenwidrig sein. In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht Hamm (Urteil v. 08. November 2016, Az. I-10 U 36/15) aktuell folgenden Fall entschieden:
Ein durchaus nicht unvermögender Zahnarzt versprach seinem gerade 18 Jahre alt gewordenen Sohn als Gegenleistung für den Verzicht auf sein künftiges Erbe einen Sportwagen Nissan GTR X (Kaufpreis ca. 100.000 Euro mit einer Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h). Als weitere Bedingung wurde vereinbart, dass der Sohn das Fahrzeug nur dann erhalten solle, wenn er im Alter von 25 Jahren eine Ausbildung zum Zahntechnikermeister mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen habe.
Unmittelbar nach dem notariellen Vertragsschluss bereute der Sohn den Verzicht und beschritt den Rechtsweg. Trotz der hervorragenden Beschleunigung des Sportwagens (von 0 auf 100 km/h in 2,8 Sekunden!!) ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verzichtsvertrag sittenwidrig und damit unwirksam ist. Die Richter argumentierten in erster Linie damit, dass die Abfindung ein erhebliches Ungleichgewicht zu Lasten des Sohnes darstelle. Der Vater habe schlicht dessen jugendliche Unbesonnenheit ausgenutzt.
Auch in steuerrechtlicher Hinsicht sind Erbverzichte gegen Abfindungsleistung nicht ganz ohne: In der Beratungspraxis wird nämlich regelmäßig übersehen, dass solche Abfindungsleistungen genauso wie die Erbschaft selbst der Besteuerung unterliegen. Es handelt sich dabei nämlich um eine lebzeitige steuerpflichtige Schenkung des späteren Erblassers an den Verzichtenden. Besonders zu beachten ist zudem, dass dies nach dem Bundesfinanzhof auch dann gilt, wenn Abfindungen von Dritten geleistet werden: Übernimmt also zum Beispiel ein Geschwister die Abfindungsleistung an den Bruder oder die Schwester, um später nach dem Tod des Vaters mehr vom Erbe zu erhalten, wäre diese Abfindung ebenfalls zu versteuern.
Wie man an diesem kurzen Fallbeispiel sehen kann, sollte bei erbrechtlichen Regelungen und Vereinbarungen im Vorfeld stets rechtlicher und steuerlicher Rat eingeholt werden. Nur so vermeiden Sie böse Überraschungen im Nachgang.
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