Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) gemäß § 1922 BGB als Ganzes auf den oder die Erben über. Dies geschieht automatisch und unmittelbar. Man spricht von der sogenannten Universalsukzession.
Häufig ist eine Erbschaft jedoch nicht nur vorteilhaft für den Erben, etwa weil der Nachlass überschuldet ist oder unerwünschte Verpflichtungen mit sich bringt. In diesen Fällen hat der Erbe ein Interesse daran, sich gegen den automatischen Anfall des Erbes zu wehren. Da kein Erbe gezwungen werden kann, eine Erbschaft gegen seinen Willen anzunehmen, besteht die Möglichkeit, die Erbschaft durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht auszuschlagen. Unter einer Ausschlagung versteht man die Erklärung des Erben, dass er die Erbschaft nicht haben möchte. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden gemäß § 1953 BGB als nicht erfolgt. Durch die Ausschlagung kann der Erbe also die Erbschaft ablehnen.
Eine Erbausschlagung macht vor allem dann Sinn, wenn der Erblasser Schulden hinterlassen hat. Ist nicht genügend Vermögen vorhanden, um die Verbindlichkeiten zu tilgen, wird sich der Erbe in der Regel dazu entscheiden, das Erbe auszuschlagen.
Aber auch dann, wenn ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter in einem Testament durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist, kann er gemäß § 2306 Abs. 1 BGB die Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil geltend machen. Die Ausschlagung der Erbschaft zur Geltendmachung des Pflichtteils wird auch als taktische Ausschlagung bezeichnet. Der Pflichtteilsberechtigte wird sich aber regelmäßig nur dann für eine Ausschlagung entscheiden, wenn er durch die Ausschlagung der Erbschaft wertmäßig bessergestellt ist. Aus diesem Grund empfehlen wir in derartigen Fällen dringend die Beratung durch einen Anwalt bzw. Fachanwalt für Erbrecht.
Die wirksame Erbausschlagung führt dazu, dass die Erbschaft als nie angefallen gilt. Der Ausschlagende verliert also rückwirkend seine Erbenstellung. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Erbschaft rückwirkend zum Zeitpunkt des Erbfalls dem Nächstberufenen zufällt: Die Erbschaft fällt dann gemäß § 1953 Abs. 2 BGB demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte.
Zur Beantwortung der Frage, wer Nächstberufener in diesem Sinne ist, muss differenziert werden: Sind in einem Testament Ersatzerben benannt, so treten diese an die Stelle des die Erbschaft Ausschlagenden. Sind keine Ersatzerben benannt, tritt gegebenenfalls die gesetzliche Erbfolge ein. Sind mehrere Erben benannt und schlägt einer der Miterben die Erbschaft aus, wächst dessen Anteil gemäß § 2094 Abs. 1 BGB den übrigen Erben nach dem Verhältnis ihrer Erbteile an. Haben alle in Betracht kommenden Erben die Erbschaft ausgeschlagen, erbt der Staat. Dieser kann die Erbschaft gemäß § 1942 Abs. 2 BGB nicht ausschlagen.
Im Ergebnis wird der Ausschlagende nicht Erbe des Erblassers. Dadurch steht ihm der Nachlass nicht zu, er haftet aber auch nicht für Nachlassverbindlichkeiten.
Der an die Stelle des Ausschlagenden eintretende Erbe wird zunächst nur vorläufiger Erbe. Denn auch er ist berechtigt, die Erbschaft auszuschlagen.
Häufig ist aufgrund mehrerer Erbausschlagungen unklar, wer der Erbe des Erblassers ist. In diesen Fällen muss das Nachlassgericht den Nachlass sichern und gegebenenfalls einen Nachlasspfleger bestellen.
Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem örtlich zuständigen Nachlassgericht. Dies ist das Amtsgericht am Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes.
Zunächst muss die Form der Ausschlagungserklärung eingehalten werden: Die Erklärung ist gemäß § 1945 Abs. 1 BGB entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Wird die Ausschlagungserklärung zur Niederschrift des Nachlassgerichts abgegeben, so hat der zuständige Rechtspfleger dem Ausschlagenden ein Zeugnis auszustellen, dass die Ausschlagung von ihm erklärt wurde. Im Falle einer Ausschlagungserklärung in öffentlich beglaubigter Form hat der Notar die Unterschrift zu beglaubigen. Die Abgabe der Ausschlagungserklärung durch einen Vertreter ist dann möglich, wenn der Vertreter eine öffentlich beglaubigte Vollmacht bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist beim Nachlassgericht einreicht.
Die Frage, innerhalb welcher Frist das Erbe auszuschlagen ist, ist danach zu beantworten, ob ein Testament vorhanden ist oder nicht:
Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland oder hielt sich der Erbe bei Fristbeginn im Ausland auf, beträgt die Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 Abs. 3 BGB sechs Monate.
Gemäß § 1950 BGB kann die Ausschlagung nicht auf einen Teil der Erbschaft beschränkt werden. Die Erbschaft kann also nur einheitlich ausgeschlagen oder angenommen werden.
Bei Minderjährigen muss die Ausschlagungserklärung durch den gesetzlichen Vertreter, das sind die Eltern, abgegeben werden. Dabei müssen beide Elternteile die Ausschlagung erklären. Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nicht einigen, so ist die Übertragung der Entscheidung durch das Familiengericht auf einen Elternteil möglich. Zu beachten ist, dass die von den Eltern im Namen des Kindes erklärte Ausschlagung der Genehmigung des Familiengerichts bedarf, es sei denn, der Erbanfall beim minderjährigen Kind trat erst dadurch ein, dass der vertretungsberechtigte Elternteil sein eigenes Erbe ausgeschlagen hat.
Grundsätzlich ist die Ausschlagungserklärung unwiderruflich. Unter Umständen kann der Ausschlagende die Ausschlagungserklärung jedoch anfechten, wenn er bei der Ausschlagung einem Irrtum unterlag.
Der Ausschlagende kann beispielsweise einem Erklärungsirrtum unterliegen. Schlägt er etwa von mehreren Erbschaften die falsche aus, kann er die Erbausschlagung erfolgreich anfechten.
Häufiger ist die Anfechtung der Erbausschlagung aufgrund eines Inhaltsirrtums. Ein Inhaltsirrtum liegt dann vor, wenn der Ausschlagende über die rechtliche Bedeutung seiner Erklärung im Irrtum war. Meint der Erbe beispielsweise, die Frist zur Ausschlagung des Erbes beginne erst mit Erhalt eines Erbscheins, liegt ein solcher Inhaltsirrtum vor. Ein weiterer möglicher Inhaltsirrtum ist die Fehlvorstellung des Ausschlagenden, sein Erbteil falle durch die Ausschlagung einem anderen Miterben an. In unserer Kanzlei für Erbrecht in München und Stuttgart kommt auch immer wieder die Fehlvorstellung des als Erbe eingesetzten Pflichtteilsberechtigten vor, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren.
Oftmals liegt jedoch nur ein unbeachtlicher Motivirrtum vor, der nicht zur Anfechtung der Erbausschlagung berechtigt. So berechtigt insbesondere ein Irrtum über den Wert des Nachlasses oder ein Irrtum über die Höhe der Erbschaftsteuer nicht zur Anfechtung der Erbausschlagung.
Manchmal kommt auch die Anfechtung der Erbausschlagung aufgrund eines Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften in Betracht. So wurde bereits gerichtlich entschieden, die falsche Annahme, der Nachlass sei überschuldet, berechtige zur Anfechtung der Erbausschlagung. Die Ausschlagung allein aufgrund einer Vermutung auf der Grundlage ungenauer Informationen berechtigt hingegen nicht zur Anfechtung der Ausschlagungserklärung, wenn sich später dann doch die Werthaltigkeit des Nachlasses herausstellt.
Bei der Anfechtung der Erbausschlagung sollten Sie sich am besten stets von Anwälten bzw. Fachanwälten für Erbrecht beraten lassen.
Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, kann er diese nicht mehr ausschlagen. Der Erbe kann die Annahme ausdrücklich oder stillschweigend (konkludent) erklären.
Eine Annahmeerklärung liegt immer dann vor, wenn das Verhalten des Erben zum Ausdruck bringt, dass er endgültig Erbe ist und bleiben will. Befinden sich Immobilien im Nachlass, ist z.B. die Abgabe eines Verkaufsangebots für ein Nachlassgrundstück oder das Anbieten eines Nachlassgrundstücks über einen Makler regelmäßig als Annahmeerklärung anzusehen. Auch der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins oder der Antrag auf Grundbuchberichtigung bedeutet die Annahme der Erbschaft. Derartige Handlungen sollten also unterlassen werden, wenn die Erbschaft ausgeschlagen werden soll, denn sie führen grundsätzlich zum Verlust des Ausschlagungsrechts!
Reine Fürsorgemaßnahmen für den Nachlass, wie z.B. Kontensperrung, Geltendmachung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen etc. bedeuten hingegen keine Annahme der Erbschaft.
Aber auch das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist bedeutet eine Annahme der Erbschaft.
Wenn Sie nicht wissen, ob Sie mit bestimmten Handlungen oder Maßnahmen die Erbschaft möglicherweise annehmen, sie aber beabsichtigen, das Erbe eventuell auszuschlagen, sollten Sie sich am besten durch einen Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen.
Ebenso wie die Erbausschlagung kann auch die Annahme der Erbschaft angefochten werden, wenn ein Anfechtungsgrund vorliegt. So liegt beispielsweise ein Erklärungsirrtum vor, wenn der Erbe unbewusst die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt. Ein Inhaltsirrtum liegt dann vor, wenn eine Annahmehandlung (z.B. Kündigung eines Mietverhältnisses) vorgenommen wird, ohne dass der Erbe den Willen hat, die Erbschaft anzunehmen.
Sowohl bei der Anfechtung der Erbausschlagung als auch bei der Anfechtung der Annahme der Erbschaft ist die Anfechtungsfrist des § 1954 BGB zu beachten: Die Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung kann gemäß § 1954 Abs. 1 BGB nur binnen sechs Wochen erfolgen. Die Anfechtungsfrist entspricht also der Ausschlagungsfrist.
Hat der Verstorbene Schulden hinterlassen, haftet der Erbe gemäß § 1967 Abs. 1 BGB für diese Nachlassverbindlichkeiten, wenn er die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat. Dies bedeutet eine Haftung des Erben mit seinem Privatvermögen gegenüber den Gläubigern des Erblassers.
Für den Erben entsteht daher ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko. Neben der Erbausschlagung hat der Erbe allerdings alternative Möglichkeiten, um die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken:
So hat der Erbe die Möglichkeit, Nachlassverwaltung zu beantragen. Eine Nachlassverwaltung bewirkt eine Haftungsbeschränkung für Nachlassverbindlichkeiten. Durch eine Nachlassverwaltung haben die Gläubiger des Erblassers keinen Zugriff auf das Eigenvermögen des Erben. Es werden die Nachlassverbindlichkeiten abgewickelt und der Erbe hat so die Möglichkeit, sein eigenes Vermögen vom Nachlass zu trennen. Eine Nachlassverwaltung kommt für den Erben dann in Betracht, wenn er davon ausgeht, dass der Nachlass ausreichend ist, um alle Gläubiger des Erblassers zu befriedigen. Die Nachlassverwaltung empfiehlt sich vor allem dann, wenn die Nachlassverhältnisse unklar sind, insbesondere bei komplexen Konstellationen. Auch Nachlassgläubiger können eine Nachlassverwaltung beantragen, wenn die Vermögenssituation des Erben unklar ist und sie verhindern wollen, dass Eigengläubiger des Erben auf den Nachlass zugreifen.
Geht der Erbe hingegen davon aus, dass der Nachlass überschuldet ist, kommt ein Nachlassinsolvenzverfahren infrage. Reicht der Nachlass allerdings nicht einmal aus, um die Kosten des Nachlassinsolvenzverfahrens zu decken, wird eine Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen. Dann hat der Erbe unter anderem die Möglichkeit, gegenüber den Nachlassgläubigern die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses zu erheben. Daneben existieren noch weitere mögliche Einreden des Erben, die es ihm ermöglichen, seine Eigenhaftung auszuschließen oder zumindest auf den Nachlass zu beschränken.
Die Erbausschlagung gibt dem Erben die Möglichkeit, eine unerwünschte Erbschaft abzulehnen. Sie macht nicht nur Sinn, wenn der Nachlass überschuldet ist. In vielen Fällen bietet sich die Ausschlagung der Erbschaft auch dann an, wenn das Erbe durch ein Testament eingeschränkt bzw. belastet ist (z.B. durch Anordnung von Vermächtnissen) und der (pflichtteilsberechtigte) Erbe seinen unbelasteten Pflichtteil geltend machen möchte. Hier ist eine Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht unerlässlich, da es ansonsten passieren kann, dass der Erbe seinen Pflichtteil ganz verliert.
Nicht immer ist klar, ob bzw. wann die Ausschlagungsfrist zu laufen beginnt. Auch hier ist eine fachkundige Beratung durch Fachanwälte für Erbrecht anzuraten.
Immer dann, wenn Sie in Erwägung ziehen, eine Erbschaft auszuschlagen, sollten Sie bis zur Ausschlagung vorsichtig vorgehen und insbesondere nicht vorschnell einen Erbschein beantragen. Ansonsten haben Sie die Erbschaft angenommen und damit Ihr Ausschlagungsrecht verloren.
In allen Fragen rund um die Erbausschlagung und damit im Zusammenhang stehenden Verfahren sind wir als Ihre Kanzlei für Erbrecht und Vermögensnachfolge in München und Stuttgart Ihr richtiger Ansprechpartner.
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