Mit der Erstellung eines Testaments oder eines Erbvertrages kann der Erblasser seinen Nachlass regeln. Auch wenn der Erblasser auf diesem Weg seine gesetzlichen Erben enterbt, kann die erwünschte Erbfolge durch Pflichtteilsansprüche gestört werden, es sei denn, die pflichtteilsberechtigten Erben haben einen Verzichtsvertrag mit dem künftigen Erblasser geschlossen.
Erbrechtliche Verzichtsverträge dienen daher der Planungssicherheit des Erblassers. Sie sind als unterstützende Maßnahmen zu letztwilligen Verfügungen und Verträgen von großer praktischer Bedeutung.
Neben dem Erbverzicht gibt es außerdem noch die Möglichkeit des Pflichtteilsverzichts und des Zuwendungsverzichts.
Der Erbverzichtsvertrag kann nur zu Lebzeiten des Erblassers geschlossen werden. Dabei kann der Erblasser den Vertrag gemäß § 2347 Absatz 2 BGB nur persönlich schließen. Daher ist ein Erbverzichtsvertrag, bei dessen Abschluss der Erblasser vertreten worden ist, grundsätzlich unwirksam. Der Abschluss eines Erbverzichtsvertrags führt dazu, dass der Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wird. Er wird so behandelt, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte. Dadurch führt der Erbverzicht zu einer Erhöhung der Pflichtteilsrechte der übrigen, nicht verzichtenden Erben, da der Erbteil des Verzichtenden dann den nicht verzichtenden Erben anfällt.
Durch den Pflichtteilsverzichtsvertrag erlangt der Erblasser die volle Testierfreiheit, da die Planung seines Nachlasses nicht durch Pflichtteilsrechte ausgeschlossener beziehungsweise enterbter gesetzlicher Erben gestört ist.
Vom Erbverzichtsvertrag und Pflichtteilsverzichtsvertrag zu unterscheiden ist der Zuwendungsverzichtsvertrag: Durch den Zuwendungsverzicht verzichtet ein in einem Testament oder Erbvertrag Bedachter vor dem Erbfall auf diese Zuwendung.
Nein. Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht sind Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Todesfall. Sie werden zu Lebzeiten, also vor dem Erbfall, geschlossen.
Hingegen erfolgt eine Erbausschlagung erst nach dem Erbfall, nämlich dann, wenn der gesetzliche oder testamentarische Erbe die bereits angefallene Erbschaft wieder "loswerden" möchte.
In der Praxis werden Erbverzichtsverträge und Pflichtteilsverzichtsverträge häufig im Zusammenhang mit Übergabeverträgen an Kinder geschlossen. Wenn Kinder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Vermögenswerte übertragen erhalten, stellt der Erbverzicht beziehungsweise der Pflichtteilsverzicht die Gegenleistung dar.
Aber auch dann, wenn sich Ehegatten scheiden lassen und eine Scheidungsfolgenvereinbarung schließen, muss das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten, welches bis zur Scheidung gilt, beachtet werden. Daher sind Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht häufig auch Gegenstand von Scheidungsfolgenvereinbarungen.
Der Erbverzicht ist deutlich seltener zu empfehlen als der Pflichtteilsverzicht. Da er dazu führt, dass der Verzichtende so behandelt wird, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebt, führt dies dazu, dass die Pflichtteilsquoten der anderen gesetzlichen Erben erhöht werden. Der Erbverzicht kann aber zum Beispiel dann sinnvoll sein, wenn der Erblasser kein Testament erstellen möchte. Dann gilt die gesetzliche Erbfolge. Hat der Erblasser zum Beispiel drei Kinder und möchte er, dass nur zwei seiner Kinder seine gesetzlichen Erben sind, dann kann das dritte Kind einen Erbverzicht erklären. Es wird dann so behandelt, wie wenn es zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte und die anderen zwei Kinder beerben den Erblasser.
Der Pflichtteilsverzichtsvertrag ist immer dann sinnvoll, wenn der Erblasser die volle Testierfreiheit erlangen möchte, weil er bei der Erstellung seines Testaments nicht mehr das Pflichtteilsrecht der weichenden (= nicht bedachten) Erben beachten muss. Gerade im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge ist der Pflichtteilsverzicht häufig unerlässlich. Denn wenn der auserkorene Unternehmensnachfolger mit Pflichtteilsansprüchen der Angehörigen oder des Ehegatten des Erblassers konfrontiert wird, kann dies die Existenz des Unternehmens gefährden. Planungssicherheit lässt sich hier nur durch einen Pflichtteilsverzichtsvertrag erreichen.
Ein Zuwendungsverzichtsvertrag hingegen kann dann sinnvoll sein, wenn eine letztwillige Verfügung nicht mehr beseitigt werden kann. Haben Ehegatten zum Beispiel ein Berliner Testament erstellt und nach dem Tod des Überlebenden die Kinder zu Schlusserben eingesetzt, tritt häufig eine Bindungswirkung ein, die den überlebenden Ehegatten hindert, die Erbfolge nach seinem Tod zu ändern. Die bedachten Kinder können dann durch einen Zuwendungsverzichtsvertrag auf ihr Erbe verzichten.
Die wichtigste Wirkung des Erbverzichts ist die Veränderung der Erbquote. Durch den Erbverzichtsvertrag wird unmittelbar auf die Erbquote des Verzichtenden eingewirkt. Es ist dann nicht mehr notwendig, eine letztwillige Verfügung zu erstellen und den Verzichtenden zu enterben. Der Verzichtende entfällt automatisch als Erbe, wenn er einen Erbverzicht erklärt. Als Folge dessen erhöhen sich die Erbquoten der anderen Erben. Von einem Erbverzicht ist gemäß § 2346 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB auch das Pflichtteilsrecht erfasst. In einem Erbverzichtsvertrag muss daher neben dem Erbverzicht nicht auch ausdrücklich auf das Pflichtteilsrecht verzichtet werden. Gleichwohl werden Anwälte für Erbrecht eine entsprechende Klarstellung empfehlen.
Beim Pflichtteilsverzicht hingegen verändern sich die Erbquoten nicht. Dies bedeutet, dass der auf den Pflichtteil Verzichtende dennoch erbt, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung erstellt und den Verzichtenden enterbt. Erstellt der Erblasser jedoch ein Testament oder einen Erbvertrag und enterbt er den Verzichtenden, kann dieser keinen Pflichtteilsanspruch mehr geltend machen.
Beide Erklärungen - sowohl der Erbverzicht als auch der Pflichtteilsverzicht - müssen gemäß § 2348 BGB notariell beurkundet werden. Dabei müssen beide Erklärungen, sowohl die Erklärung des Verzichtenden als auch die Erklärung des Erblassers, von einem Notar beurkundet werden.
Da der Erblasser den Vertrag persönlich abschließen muss, ist eine Vertretung des Erblassers beim Abschluss des Verzichtsvertrags nicht möglich. Der Verzichtende hingegen kann sich vertreten lassen.
Zu beachten ist, dass sich der Verzicht gemäß § 2349 BGB auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, wenn ein Abkömmling oder ein Seitenverwandter des Erblassers die Verzichtserklärung abgibt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Verzichtsvertrag etwas anderes bestimmt wird.
Verzichtende lassen sich häufig eine Abfindung versprechen.
Es ist auch möglich, die Verzichtserklärung von Bedingungen abhängig zu machen. In diesem Zusammenhang kommt es zum Beispiel häufig vor, dass ein Kind nur für den Fall auf seinen Pflichtteil verzichtet, dass eine bestimmte Person (zum Beispiel die Mutter) Erbe des Erblassers wird.
Aufgrund des Erfordernisses der notariellen Beurkundung entstehen zunächst Notarkosten. Dabei richtet sich die Höhe der entstehenden Notarkosten nach dem Wert des Erbteils oder Pflichtteils gemessen am Vermögen des Erblassers zum Zeitpunkt der Beurkundung.
Da der Entwurf eines Erbverzichtsvertrages oder eines Pflichtteilsverzichtsvertrages häufig auch von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten und begleitet werden sollte, entstehen auch Rechtsanwaltskosten. Dabei kann der Rechtsanwalt die Vergütung entweder nach dem Gegenstandswert oder aber auf Basis einer Vergütungsvereinbarung abrechnen. Im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung kann zum Beispiel ein Zeithonorar oder ein Pauschalhonorar vereinbart werden.
Sowohl der Erbverzicht als auch der Pflichtteilsverzicht können einvernehmlich aufgehoben werden. Dies ist zu Lebzeiten beider Vertragsparteien möglich, wobei auch hierzu gemäß § 2351 BGB notarielle Beurkundung erforderlich ist.
Verstirbt der Erblasser, kann die Erbverzichtserklärung nicht mehr aufgehoben werden. Der Erbe des Erblassers und der auf den Pflichtteil Verzichtende können jedoch die Pflichtteilsverzichtserklärung einvernehmlich auch nach dem Tod des Erblassers aufheben.
Vertraglich kann ein Rücktrittsrecht vereinbart werden, wobei der Rücktritt dann wiederum durch eine notariell beurkundete Erklärung umzusetzen ist.
Bei der Anfechtung eines Erbverzichts oder Pflichtteilsverzichts ist zwischen der Zeit vor und nach dem Erbfall zu unterscheiden:
Der Verzichtende kann seine Verzichtserklärung zu Lebzeiten des Erblassers anfechten. Ob auch der Erblasser den Verzichtsvertrag anfechten kann, ist umstritten. Es spricht jedoch vieles dafür, dass auch der Erblasser den Verzichtsvertrag anfechten kann.
Umstritten ist auch, ob der Verzichtende nach dem Erbfall anfechten darf. Obergerichtlich wurde entschieden, dass eine Anfechtung der Verzichtserklärung nach Eintritt des Erbfalls aus Gründen der Rechtssicherheit nicht mehr möglich ist.
Sofern eine Anfechtung der Verzichtserklärung in Frage kommt, muss auch ein Anfechtungsgrund vorliegen. Ein Anfechtungsgrund, der Fachanwälte für Erbrecht immer wieder beschäftigt, ist ein Irrtum über den Bestand des gegenwärtigen Vermögens des Erblassers. Um diesen Anfechtungsgrund möglichst rechtssicher auszuschließen, ist eine hinreichende Aufklärung über das Vermögen des Erblassers notwendig.
Auch dann, wenn der Verzichtende bei Abschluss des Verzichtsvertrags über die Höhe des Vermögens des Erblassers getäuscht wird und daher eine zu geringe Abfindung erhält, liegt ein Anfechtungsgrund vor.
Spätere Entwicklungen im Vermögen des Erblassers, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verzichtsvertrages nicht absehbar waren, stellen grundsätzlich keinen Anfechtungsgrund dar.
Zudem kann ein Verzichtsvertrag in besonderen Einzelfällen auch sittenwidrig sein. Dies ist bei einer missbräuchlichen Ausnutzung der Situation des Verzichtenden denkbar, etwa dann, wenn der Verzicht kurz vor dem absehbaren Tod des Verzichtenden abgeschlossen wird, da hierdurch offensichtlich Erb- beziehungsweise Pflichtteilsrechte zu Lasten der Abkömmlinge des Verzichtenden ausgeschlossen werden sollen.
Nach neuester Rechtsprechung ist der Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers grundsätzlich nicht sittenwidrig.
Erbrechtliche Verzichtsverträge sind ein wichtiger Bestandteil einer vollständigen Planung der Vermögensnachfolge. Sie erfordern stets eine ganzheitliche Betrachtung, weshalb trotz notarieller Beurkundung der Verzichtsverträge eine Begleitung durch Fachanwälte für Erbrecht erfolgen sollte.
Zudem darf der Rechtsanwalt im Gegensatz zum Notar nur eine Vertragspartei beraten. Um zu verhindern, dass im Nachhinein eine Anfechtung des Verzichtsvertrages des Verzichtenden erfolgt oder sich dieser auf Sittenwidrigkeit beruft, ist ein geschultes Auge bei der Vertragsgestaltung unerlässlich.
Darüber hinaus sollten auch steuerrechtliche Aspekte berücksichtigt werden. Gerade beim Erbverzicht beziehungsweise Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung ist zu beachten, dass die Abfindung steuerrechtlich eine Schenkung darstellt.
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