In Deutschland leben nach einer Studie des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2019 über 10 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Zeitgleich rollt nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auf die Bundesbürger in den nächsten Jahren eine Erbschaftswelle mit geschätzten 400 Milliarden Euro pro Jahr zu. Das Thema ist also aktueller, denn je. Angesichts dieser Zahlen erscheint es umso erschreckender, dass lediglich nur etwa 25 % der Deutschen ein Testament errichtet haben, von denen der ganz überwiegende Teil fehlerhaft ist. Was für einen gesunden Menschen bereits problematisch ist, kann sich in Konstellationen, in denen ein Angehöriger mit einer Behinderung betroffen ist, besonders fatal auswirken. Die Gestaltung von behindertengerechten Testamenten gilt unter Experten infolge der Verbindung unterschiedlicher Normen des Erb-, Sozial-, Familien- und Betreuungsrechts als eine der anspruchsvollsten Disziplinen im Erbrecht. Als Rechtsanwalt in München und Stuttgart beraten wir Sie gerne individuell.
Ein behindertengerechtes Testament:
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Das Behindertentestament ist nur eine Gestaltungsvariante von vielen im Erbrecht. Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Testamentsformen:
Das Patchworktestament regelt den Erbfall in einer Patchworkfamilie mit Kindern aus unterschiedlichen Beziehungen. Es steuert den Vermögensfluss über mehrere Erbfolgen und stellt sicher, dass unliebsame Dritte keinen Zugriff auf den Nachlass haben.
mehr zum PatchworktestamentDas Geschiedenentestament berücksichtigt die besonderen Interessen von Personen, die bereits einmal verheiratet waren und gemeinsame Kinder mit dem Ex-Partner haben. Sichergestellt werden soll der Vermögensfluss im Erbfall hin zu den Kindern und zwar so, dass der leibliche (sorgeberechtigte) Elternteil nicht vom Nachlass profitiert und im Zweifel auch keinen Einfluss auf das ererbte Vermögen der Kinder nehmen kann.
mehr zum GeschiedenentestamentDas Unternehmertestament nimmt Bezug auf die besondere Rechtsstellung des Erblassers als Unternehmer. Nachdem gesellschaftsrechtliche Bestimmungen den Verfügungen des Erbrechts vorgehen, muss das Unternehmertestament immer auf bestehende Gesellschaftsverträge abgestimmt werden. Es hat sowohl den Erhalt des Unternehmens als auch die Absicherung der Kernfamilie zum Ziel.
mehr zum UnternehmertestamentWir unterstützen Sie bei der:
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Es geht bei einem behindertengerechten Testament nicht um die Erstellung von Testamenten für testierunfähige Menschen, also Menschen, die wegen einer geistigen Behinderung nicht in der Lage sind, ein Testament zu errichten. Nachdem das deutsche Erbrecht Testierfähigkeit voraussetzt, wäre das auch gar nicht möglich. Es geht vielmehr um Wege und Möglichkeiten, behinderte Familienangehörige (insbesondere behinderte Kinder) und das Erbe zu schützen, wenn man selbst einmal verstirbt. Darüber hinaus dient ein behindertengerechtes Testament vor allem dem Schutz des behinderten Angehörigen: Mit Hilfe der richtigen letztwilligen Verfügung wird sichergestellt, dass ein besonders schutzbedürftiger Mensch in den Genuss der Vorteile des Nachlasses kommt und unter Inanspruchnahme staatlicher Leistungen (Sozialhilfe) ein Leben über Sozialleistungsniveau führen kann.
Der Schutz durch ein Behindertentestament ist in zweierlei Hinsicht notwendig: Zum einen können ohne geeignete Schutzmechanismen andernfalls Dritte – allen voran der Staat – auf das Vermögen, das ein behinderter Familienangehöriger erbt, zugreifen.
Zum anderen vererbt sich der Vermögensanteil, den der behinderte Mensch erbt, bei Vorliegen einer eigenen Testierunfähigkeit später einmal nach der für ihn geltenden gesetzlichen Erbfolge. Wenn kein Behindertentestament vorliegt, bestimmt das BGB die gesetzlichen Erben – und diese Auswahl ist schwer vorherzusehen. Um also eine „zufällige“ Erbfolge zu vermeiden, haben vor allem Eltern von behinderten Kindern regelmäßig ein Interesse daran, das eigene Kind abzusichern und den Vermögensfluss auch nach dem Tod des behinderten Kindes zu steuern. Wesentlich ist aber vor allem die Absicherung des Kindes. Die wird nur durch eine kluge und vorausschauende Gestaltung der letztwilligen Verfügung gewährleistet.
Ein Behindertentestament in der klassischen Form der Vor- und Nacherbenlösung beinhaltet folgende Regelungselemente:
Das behindertengerechte Testament existiert im Wesentlichen in zwei unterschiedlichen Ausprägungsformen: Dem sog. Vor- und Nacherbenmodell und der Vermächtnislösung.
Das Vor- und Nacherbenmodell gilt als sichere und klassische Lösung. Sie beinhaltet die oben beschriebene Einsetzung des behinderten Angehörigen zum Mit-/Erben mit einer Erbquote, die mindestens seinem Pflichtteil entspricht. Der Erbteil des behinderten Erben wird dabei auf Lebenszeit unter Dauertestamentsvollstreckung gestellt. Dem Vorerben ist damit der direkte Zugriff auf das ererbte Vermögen verwehrt. Nach dem Tod des Vorerben geht der Nachlass sodann weiter an den Nacherben.
Die Vermächtnislösung sieht demgegenüber vor, dass der behinderte Familienangehörige gerade nicht Erbe wird. Stattdessen wird er als Vermächtnisnehmer eingesetzt, wobei das Vermächtnis mindestens seinem Pflichtteil entsprechen muss. Das Vermächtnis wird als sog. Vor- und Nachvermächtnis ausgestaltet. Das bedeutet, dass es beim Tod des behinderten Vermächtnisnehmers weitergegeben werden muss an den Nachvermächtnisnehmer. Auch der Erbe muss bestimmt werden. In der Regel sind das entweder der längerlebende Ehegatte, weitere Kinder oder andere Familienangehörige. Auch bei der Vermächtnislösung wird über das ererbte Vermögen des behinderten Angehörigen / des behinderten Kindes eine Testamentsvollstreckung gespannt. Der Testamentsvollstrecker verwaltet die Nachlasswerte während der Lebensdauer des behinderten Angehörigen.
Die Vermächtnislösung war lange Zeit umstritten. Als nicht gesichert galt, ob der Zugriff des Sozialleistungsträgers auf den Nachlass tatsächlich verhindert werden kann. Seit Einführung des Bundesteilhabegesetzes erscheint das Risiko gebannt. Bis heute existiert allerdings keine höchstrichterliche Rechtsprechung, die das Modell final als gangbaren Weg bestätigt.
Wird das Behindertentestament in der klassischen Form der Vor- und Nacherbenlösung ausgestaltet, muss der spätere Erblasser dafür Sorge dafür tragen, dass der Erbteil des behinderten Angehörigen mindestens die Höhe des Pflichtteils erreicht. Nur in diesem Fall behält der Angehörige neben einer Versorgung aus dem Erbe den vollen Anspruch auf die Sozialleistungen und es kommt nicht zu einer Überleitung von Pflichtteilsansprüchen auf den Sozialhilfeträger. Sicherer als eine Erbeinsetzung exakt in Höhe des Pflichtteils ist eine Erbeinsetzung, die über der gesetzlichen Pflichtteilsquote (beispielsweise 3 % über dem Pflichtteil) liegt. Die Vorerbenposition des behinderten Angehörigen bzw. des behinderten Kindes sollte dabei als sog. nicht befreite Vorerbschaft ausgestaltet sein. Das hat zum Zweck, dass der Vermögensstamm nicht angegriffen werden darf, sondern lediglich seine Erträge. Auch das sichert die Erbschaft vor dem Zugriff des Sozialleistungsträgers und deren anschließender Verwertung.
Die Vollstreckung des Testaments wird im Rahmen eines Behindertentestaments als Dauer- oder Verwaltungstestamentsvollstreckung ausgestaltet. Sie besteht während der gesamten Lebensdauer des behinderten Angehörigen bzw. des behinderten Kindes. Der Testamentsvollstrecker verwaltet den dem behinderten Angehörigen über die Erbschaft zugedachte Vermögensanteil. Er hat die alleinige Verfügungsbefugnis. Zudem bekommt er vom Erblasser über das Testament einen Handlungskatalog an die Hand, in welcher Form und in welchem Umfang er dem Angehörigen / dem Kind Vermögen aus dem Nachlass zuteilen soll. Das geschieht dergestalt, dass das Leben des behinderten Angehörigen / des Kindes über Sachleistungen aus Nachlassmitteln unter Beibehaltung staatlicher Sozialleistungen (Sozialhilfe) verbessert wird.
Im Rahmen der Vollstreckung des Testaments sollte weiter dafür Sorge getragen werden, dass Betreuer und Testamentsvollstrecker nicht personenidentisch sind. Immerhin ist es Aufgabe des Betreuers, den Testamentsvollstrecker zu kontrollieren. Sinnvoll ist es daher, im Testament Ersatz- oder Mitttestamentsvollstrecker zu benennen für den Fall, dass ein Testamentsvollstrecker an der Amtsausübung infolge einer Interessenkollision gehindert ist.
Das behindertengerechte Testament gilt in der Ausprägungsform der sog. Vor- und Nacherbenlösung jedenfalls bei kleinen bis mittleren Nachlässen nach ständiger Rechtsprechung des BGH als zulässig und nicht sittenwidrig. Die Ausgestaltung in Form der Vermächtnislösung wird immer noch restriktiv angewandt (zum Beispiel bei Unternehmensnachfolgen, wenn die Entstehung einer Erbengemeinschaft verhindert werden soll). Die Vermächtnislösung war lange Zeit umstritten, weil nicht mit abschließender Gewissheit feststand, dass es zu keiner Kürzung oder Verrechnung von Sozialhilfe kommt. Diese Gefahr erscheint mit Einführung des Bundesteilhabegesetzes zumindest erheblich reduziert. Allerdings existiert immer noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung, die diese Annahme bestätigt. Die weitere Entwicklung im Rahmen der Vermächtnislösung muss daher abgewartet werden.
Sie wollen Ihr Vermögen, Ihre Angehörigen und Ihr behindertes Kind im Erbfall schützen? Sie benötigen Hilfe bei der Ausgestaltung eines Behindertentestaments? Wir sind als Kanzlei in München und Stuttgart Experten in diesem speziellen Bereich und unterstützen Sie gerne. Melden Sie sich bei unserer Kanzlei und vereinbaren Sie einen Beratungstermin.
Die Kanzlei RPE zählt zu Deutschlands führenden Kanzleien im Rechtsgebiet Erbrecht. Sowohl Julia Roglmeier, als auch Giuseppe Pranzo wurden ausgezeichnet als TOP Anwälte im Erbrecht.
Die Fachanwältin für Erbrecht Julia Roglmeier der Kanzlei RPE in München zählt zu Deutschlands führenden Experten auf dem Gebiet der Vermögensnachfolge und Vermögenssicherung. Sie steht seit mehreren Jahren auf Deutschlands großer Anwaltsliste und wurde 2024 erneut ausgezeichnet als Focus TOP Rechtsanwalt: Julia Roglmeier (Siegel Erbrecht) im Fachgebiet Erbrecht.
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