Das Internet ist Teufelszeug. Es gaukelt dem aufmerksamen Leser vor, sich auf die Schnelle Fachwissen anlesen und mitreden zu können. Leider ist man schnell überfordert, wenn man sich nicht auskennt. Manchmal merkt man noch nicht einmal, wenn man rechtliche Herleitungen und Begründungen falsch interpretiert. Unsere anwaltliche Aufgabe ist es dann oft, mit falsch antrainiertem Halbwissen aufzuräumen und sprichwörtlich die Festplatte bei unseren Mandanten zu löschen und neu - nämlich richtig - zu programmieren.
„Wenn ich etwas unter Nießbrauchsvorbehalt schenke, dann fängt doch die 10-Jahres-Frist für die Steuerfreibeträge nicht an zu laufen, oder?“
Oder anders herum:
„Wenn ich etwas schenke, dann schmilzt die Schenkung pro Jahr für das Finanzamt um 10% bei den Schenkungssteuerfreibeträgen ab, oder?“
Beide Annahmen sind falsch. Sie vermengen die 10-Jahresfrist im Pflichtteilsrecht mit der 10-Jahresfrist, wie sie das Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht kennt.
Das Pflichtteilsrecht nimmt an, dass eine Schenkung - meist geht es hier um Immobilien - die unter Nießbrauchsvorbehalt getätigt wurde, immer dem Nachlass fiktiv wieder hinzugerechnet werden muss. Der Grund dafür liegt darin, dass der schenkende Erblasser bei dieser Form der Schenkung wirtschaftlicher Eigentümer bleibt. So richtig hat er das Geschenk also nie aus der Hand gegeben. Zivilrechtlich profitiert davon ein enterbter Pflichtteilsberechtigter: er darf seinen Anspruch immer auch aus der Schenkung errechnen. Egal, ob die Schenkung länger als 10 Jahre vor dem Erbfall zurückliegt oder nicht. Mit der 10-Jahresfrist des Erbschaft- und Schenkungssteuerrechts hat die zivilrechtliche 10-Jahresfrist des Pflichtteilsrechts aber nichts zu tun. Den Schenkungssteuerfreibetrag gibt es steuerrechtlich alle 10 Jahre neu. Ein Nießbrauchsvorbehalt ändert daran nichts. Ganz im Gegenteil: er kann sich bei der Berechnung des steuerlichen (!) Schenkungswerts sogar positiv auswirken. Schließlich mindert er als Gegenleistung des Beschenkten den Wert des Geschenks, was dazu führt, dass mehr übertragen werden kann ohne eine Schenkungssteuer auszulösen. Eine Abschmelzung pro Jahr, das die Schenkung zurückliegt, kennt das Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht wiederum nicht. Diese Konstruktion greift nur im Pflichtteilsrecht und zwar bei allen Schenkungen (Ausnahme: Ehegatten untereinander), die ohne den Vorbehalt von Nutzungsrechten erfolgen. In diesen Fällen darf pro Jahr, das die Schenkung zurückliegt 10% vom Wert abgezogen werden, aus der der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch errechnet.
Ganz schön kompliziert.
Übrigens sind das noch lange nicht alle 10-Jahresfristen, die das Gesetz kennt. Es gibt sie bei der Rückforderung von Schenkungen wegen Verarmung des Schenkers oder aber auch steuerrechtlich beim Familienheimprivileg oder bei der Spekulationssteuer. Auch das Verjährungsrecht kennt eine 10-Jahresfrist bei Ansprüchen, die Immobilien betreffen.
Man muss schon höllisch aufpassen, wenn hier nichts durcheinandergeraten soll. Seien Sie deshalb auf der Hut und immer kritisch bei fachlichen Ausführungen, die Sie im Internet lesen. Wenn hier etwas falsch verstanden wird, sind die Schäden hinterher oft nicht mehr gut zu machen. Überlassen Sie die rechtliche Beurteilung daher besser einem Profi.
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