Der Deutschen liebstes Testament ist das sog. Berliner Testament. Danach setzen sich die Eheleute für den ersten Erbfall regelmäßig gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen die (gemeinsamen) Kinder zu Schlusserben beim zweiten Erbfall. Zivilrechtlich bietet das Berliner Testament in dieser klassischen Gestaltungsform unschlagbare Vorteile: Der Längerlebende der beiden Eheleute wird Alleinerbe. Eine Erbengemeinschaft wird vermieden.
Die Geschicke des Nachlasses und die Frage, wie er mit dem Erbe verfährt, liegen also ganz alleine in seinen Händen. Pflichtteilsstrafklauseln sichern diese komfortable Situation für den längerlebenden Ehegatten weiter ab. Nachdem ein Fehlverhalten testamentarisch sanktioniert werden kann, müssen es sich die zuletzt erbenden Kinder immerhin gut überlegen, ob sie direkt beim ersten Erbfall den ihnen gesetzlich zustehenden Mindestanteil gegen den Willen des alleine erbenden Elternteils fordern.
So vorteilhaft das Berliner Testament in zivilrechtlicher Hinsicht auch ist, so tückisch können die steuerrechtlichen Folgen sein. Wird der längerlebende Ehegatte nämlich beim ersten Erbfall Alleinerbe, bekommt er den kompletten Nachlass des Verstorbenen. Er wird also reicher. Nachdem die Kinder testamentarisch zunächst nichts aus dem Nachlass erhalten, gehen ihre Erbschaftsteuerfreibeträge ins Leere. Verstirbt dann der Letzte der beiden Elternteile, schüttet sich der um das Eigenvermögen des Letztversterbenden erhöhte Nachlass des Erstverstorbenen aus auf die Kinder, wobei diese allerdings auf die Freibeträge nach dem Letztverstorbenen reduziert werden.
Das Ehepaar Viktor und Martha haben zwei Kinder, Adam und Beate. Sie verfügen über folgendes Vermögen:
Das ehegemeinschaftliche Vermögen umfasst also 2,1 Mio EUR.
Als Viktor stirbt, hat er Martha im Rahmen eines Berliner Testamentes zur Alleinerbin eingesetzt. Die Kinder sollen nach dem zweiten Erbfall zu gleiche Teilen Schlusserben werden. Martha erbt also einen 50% Miteigentumsanteil an der selbstgenutzten Doppelhaushälfte (500.000 EUR), die Eigentumswohnung (600.000 EUR) und die Hälfte des Kontenvermögens (250.000 EUR). Martha kann das sog. Familienheimprivileg für sich in Anspruch nehmen, da sie das Familienheim weiter nutzt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG). Weitere Steuervergünstigungen außen vorgelassen, muss sie abzüglich Ihres Erbschaftsteuerfreibetrag (= 500.000 EUR) 350.000 EUR (600.000 EUR + 250.000 EUR = 850.000 EUR – 500.000 EUR) versteuern. Darauf entfallen laut Steuerklasse I und Tarif (11%) = 38.500 EUR Erbschaftsteuer. Verstirbt dann Martha und unterstellt, sie gibt die vollen 2,1 Mio EUR an ihre Kinder beim zweiten Erbfall weiter, entfällt auf jedes Kind abzüglich des Erbschaftsteuerfreibetrags von 400.000 EUR ein Erwerb von Todes wegen in Höhe von 650.000 EUR (2,1 Mio EUR – 800.000 EUR = 1,3 Mio EUR : 2). Laut Steuerklasse I und Tarif (15%) muss jedes Kind demnach 97.500 EUR Erbschaftsteuer bezahlen. Die Gesamtsteuerlast der Familie liegt damit bei 233.500 EUR (2x 97.500 EUR + 38.500 EUR).
In einer solchen Situation kann man die Steuerlast nur noch retten, indem die Kinder ausnahmsweise nicht gegen, sondern mit dem Willen der Mutter ihre Pflichtteile nach dem Vater geltend machen. Auf diese Weise entsteht nämlich eine Verbindlichkeit, die die Alleinerbin bei der Berechnung des zu versteuernden Erwerbs von Todes wegen gegenüber dem Finanzamt in Abzug bringen darf. Eleganter als die eben geschilderte taktische Geltendmachung des Pflichtteils ist allerdings die Aufnahme sog. Steuervermächtnisse in das Testament. Danach bekommt der längerlebende Ehegatte eine Art Joker in die Hand, nach dem er den Kindern aus dem Nachlass des Verstorbenen etwas „als Vermächtnis“ geben kann. Tut er das und zieht er also den Vermächtnis-Joker, wird das in erbschaftsteuerrechtlicher Hinsicht als Erwerb von Todes wegen nach dem Erstverstorbenen gewertet. Auf diese Weise werden die sonst verloren gegangenen Freibeträge beim ersten Erbfall aktiviert.
Steuervermächtnisse müssen exakt ausformuliert werden, damit sie zivilrechtlich als wirksam angeordnet gelten und auch der strengen Prüfung des Finanzamt Stand halten. Es gilt, diverse rechtliche und steuerrechtliche Vorgaben einzuhalten, damit diese komplexe Regelungsform auch tatsächlich funktioniert. Beispielsweise sollte ein fixer Endtermin für die Fälligkeit bestimmt werden, um die steuerlich ungünstigen Wirkungen § 6 Abs. 4 ErbStG (Besteuerung nach dem Letztversterbenden) zu umgehen. In unserer Beratungspraxis wählen wir in diesem Zusammenhang häufig die statistische Lebenserwartung des Längerlebenden abzüglich eines Sicherheitszuschlags von einem Jahr. Wegen der weitgreifenden Folgen und der sehr differenzierten Rechtsprechung in diesem Bereich sollte die Formulierung von Steuervermächtnissen immer einem erbrechtlichen Profi vorbehalten und keinesfalls selbst in Angriff genommen werden.
Wäre im Beispielsfall ein Steuervermächtnis testamentarisch angeordnet gewesen, hätte der Nachlass des Vaters um die Steuerfreibeträge der Kinder (2x 400.000 EUR = 800.000 EUR) reduziert werden können. Damit wäre nicht nur die Steuerlast der Ehefrau entfallen. Gleichzeitig hätte sich auf die zu zahlende Erbschaftsteuer der beiden Kinder beim zweiten Erbfall reduziert. Beim zweiten Erbfall nach der Mutter hätten lediglich noch 1,3 Mio EUR verteilt werden müssen (2,1 Mio EUR – 800.000 EUR). Damit wären auf jedes Kind nach der Mutter 650.000 EUR entfallen. Abzüglich des mütterlichen Erbschaftsteuerfreibetrags in Höhe von 400.000 EUR wären in diesem Fall lediglich noch 250.000 EUR zu versteuern gewesen. Nach Tarif (11%) ergibt sich dann eine Steuerlast von 27.500 EUR pro Kind. Insgesamt hätte eine kluge Nachfolgeplanung die zu zahlende Erbschaftsteuer in der Familie von ursprünglich 233.500 EUR um 178.500 EUR auf 55.000 EUR senken können. Kombiniert man hier weitere Vermächtnisse an Enkelkinder, die eigene Erbschaftsteuerfreibeträge (200.000 EUR) haben oder lebzeitige Übertragungen, hätte die Steuer möglicherweise sogar auf Null EUR reduziert werden können.
Das Beispiel macht deutlich: Der Gang zum Experten lohnt sich und spart bares Geld!
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