Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB
Gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Erbe einem Pflichtteilsberechtigten, der nicht Erbe geworden ist, auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Daraus ergibt sich die Verpflichtung des Erben, dem Pflichtteilsberechtigten ein Nachlassverzeichnis vorzulegen.
Der Pflichtteilsberechtigte, der nicht Erbe geworden ist, hat in der Regel keine Kenntnis über die Zusammensetzung des Nachlasses. Der Pflichtteilsanspruch ist jedoch ein Zahlungsanspruch, der sich nach dem Wert des Nachlasses richtet. Nur wenn der Pflichtteilsberechtigte die Zusammensetzung des Nachlasses und dessen Wert kennt, kann er also seinen Pflichtteilsanspruch berechnen. Aus diesem Grund ist der Erbe zur Auskunft verpflichtet. Dies gilt übrigens auch dann, wenn dem Pflichtteilsberechtigten die Zusammensetzung des Nachlasses bereits bekannt ist.
Grundsätzlich muss der Erbe das gesamte Vermögen des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes im Nachlassverzeichnis auflisten. Im Ergebnis muss er also alles, was durch den Erbfall auf ihn übergegangen ist (auch Verbindlichkeiten) auflisten. Es sind demnach alle Aktiva und Passiva des Erblassers gegenüberzustellen und zwar so, dass das Vermögen des Erblassers und damit einhergehend der Pflichtteilsanspruch berechnet werden kann. Der Nachlass muss also vollständig dargestellt werden.
Der Nachlass wird im Ergebnis wie eine Bilanz dargestellt, d.h. es werden grundsätzlich zunächst alle Aktiva, anschließend alle Passiva aufgeführt. Wichtig ist, dass eine Bewertung der Nachlassgegenstände nicht im Nachlassverzeichnis erfolgt. Es sind daher zwar die einzelnen Vermögenspositionen aufzulisten, nicht jedoch deren Werte. Hingegen sind die sogenannten wertbildenden Faktoren (z.B. Angaben zum Hersteller, Fabrikat, Alter etc.) mitzuteilen. Dies bedeutet, dass die Nachlassgegenstände so beschrieben werden müssen, dass der Pflichtteilsberechtigte selbst eine Bewertung vornehmen und abschätzen kann, ob es Sinn ergibt, für die Gegenstände ein Sachverständigengutachten zu verlangen. Denn der Pflichtteilsberechtigte hat gemäß § 2314 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB einen entsprechenden Wertermittlungsanspruch. Bei Rechten hingegen, die aus sich heraus bezifferbar sind, wie insbesondere Bargeld, Kontoguthaben etc., sind die konkreten Werte im Nachlassverzeichnis anzugeben.
Allein der Pflichtteilsberechtigte entscheidet über Inhalt und Umfang der zu erteilenden Auskunft. Wenn dieser nicht ausdrücklich auf einzelne Positionen verzichtet, ist der Erbe auch verpflichtet, den gesamten Hausrat im Einzelnen zu benennen. Auch scheinbar wertlose Nachlassgegenstände müssen dabei aufgenommen werden. Denn es ist nicht Aufgabe des Erben, die Werthaltigkeit des Nachlasses einzuschätzen. Bei Gegenständen, die offensichtlich von geringem Wert sind, wie Kleidung oder Gegenständen des täglichen Gebrauchs, ist aber eine Zusammenfassung in Sachgruppen zulässig. Der Erbe darf solche Gegenstände jedoch nicht einfach unberücksichtigt lassen. Denn wird in der Auskunft zu einzelnen Punkten geschwiegen, ist die Auskunft des Erben schlicht unvollständig.
Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung des Erben, Belege vorzulegen. Ausnahmsweise sind jedoch Belege vorzulegen, wenn der Vermögensgegenstand ohne einen Beleg nicht bewertet werden kann. Solche Belege müssen bereits im Rahmen der Auskunft vorgelegt werden. Dies kann z.B. bei Buchführungsunterlagen eines Unternehmens angenommen werden.
Wichtig zu wissen ist auch, dass der Erbe seiner Auskunftspflicht nicht dadurch nachkommt, dass er dem Pflichtteilsberechtigten einfach Belege überlässt und darauf verweist. Dies stellt formell keine ordnungsgemäße Auskunftserteilung dar. Denn es ist dem Pflichtteilsberechtigten nicht zuzumuten, sich die notwendigen Informationen aus den überlassenen Belegen selbst herauszusuchen.
Man könnte meinen, dass nur die zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlassgegenstände im Nachlassverzeichnis aufgelistet werden müssen und keine Angaben zu lebzeitigen vermögensmindernden Verfügungen des Erblassers erforderlich sind. Da durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers jedoch sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen können, sind auch Schenkungen des Erblassers in das Nachlassverzeichnis aufzunehmen. Wichtig ist diesbezüglich vor allem, dass es hierbei keine zeitliche Begrenzung gibt. Der Erbe muss also zu sämtlichen Schenkungen des Erblassers, die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch rechtfertigen könnten, Auskunft erteilen.
Auch das liegt allein in der Entscheidungsgewalt des Pflichtteilsberechtigten. Er kann sowohl ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis als auch ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen. Es ist sogar möglich, dass der Pflichtteilsberechtigte zunächst ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis verlangt und anschließend ein notarielles Nachlassverzeichnis. Der Notar, der das Nachlassverzeichnis erstellt, hat eine eigene Ermittlungspflicht. Er muss also selbst ermitteln, ob sich weitere Gegenstände im Nachlass befinden, die der Erbe zunächst nicht angegeben hat, wie beispielsweise durch Einsicht in die Grundbücher, Anfordern von Bankunterlagen etc.
Auch wenn es in der Praxis die Regel ist, dass der Pflichtteilsberechtigte das Nachlassverzeichnis durch den Erben erstellen lässt, kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben verlangen, dass er bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses anwesend ist. Dann muss der Erbe dem Pflichtteilsberechtigte Terminvorschläge unterbreiten. Dabei darf der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten nichts Unmögliches oder Unzumutbares abverlangen. Der Pflichtteilsberechtigte muss bei der Wahrnehmung seines Anwesenheitsrechts auch nicht allein zum Erben gehen. Er darf einen Beistand oder Vertreter hinzuziehen.
Gemäß § 2314 Abs. 2 BGB fallen die Kosten der Erstellung des Nachlassverzeichnisses dem Nachlass zur Last. Der Erbe muss die Kosten des Nachlassverzeichnisses daher zunächst vorstrecken. Diese können jedoch als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt werden. Da sich der Pflichtteilsanspruch nach dem Wert des Nachlasses berechnet, bezahlt der Pflichtteilsberechtigte das Nachlassverzeichnis daher rechnerisch in Höhe seiner Pflichtteilsquote mit.
Es gibt viele weitere Einzelheiten bei der Erstellung eines (notariellen) Nachlassverzeichnisses, die es zu beachten gilt. Vor dem Hintergrund, dass der anwaltlich nicht vertretene Pflichtteilsberechtigte oder Erbe hier vieles falsch machen kann, empfiehlt sich stets die Hinzuziehung von FachanwältInnen für Erbrecht. Wir verfügen über umfassende Erfahrung im Pflichtteilsrecht und unterstützen sowohl Pflichtteilsberechtigte bei der Geltendmachung von Auskunftsansprüchen und Pflichtteilsansprüchen als auch Erben bei der Abwehr und Erfüllung von Auskunftsansprüchen und Pflichtteilsansprüchen. Wir prüfen Nachlassverzeichnisse auf Herz und Nieren und erstellen Nachlassverzeichnisse gemäß den aktuellen gesetzlichen Vorgaben.
Die Kanzlei RPE zählt zu Deutschlands führenden Kanzleien im Rechtsgebiet Erbrecht. Sowohl Julia Roglmeier, als auch Giuseppe Pranzo wurden ausgezeichnet als TOP Anwälte im Erbrecht.
Die Fachanwältin für Erbrecht Julia Roglmeier der Kanzlei RPE in München zählt zu Deutschlands führenden Experten auf dem Gebiet der Vermögensnachfolge und Vermögenssicherung. Sie steht seit mehreren Jahren auf Deutschlands großer Anwaltsliste und wurde 2024 erneut ausgezeichnet als Focus TOP Rechtsanwalt: Julia Roglmeier (Siegel Erbrecht) im Fachgebiet Erbrecht.
Mehr zur Methodik der FOCUS-Listen erfahren Sie hier.Auf PROFIL präsentiert die Omni Bridgeway AG, Anwälte, die das Unternehmen für die Besten auf ihrem jeweiligen Rechtsgebiet hält. Die Empfehlungen basieren auf persönlichen Erfahrungswerten des Versicherers aus der Zusammenarbeit mit dem mandatierten Anwalt. Die präsentierten Anwälte überzeugen nicht nur durch ihre fachliche Expertise, sondern bringen auch wertvolle Erfahrungen für die Prozessfinanzierung mit.
mehr erfahren© rp-erbrecht.de Rechtsanwälte für Erbrecht und Vermögensnachfolge in München und Stuttgart