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20. September 2023

Pflichtteil: Rechtliche Beratung, Durchsetzung und Abwehr

Pflichtteil: Rechtliche Beratung, Durchsetzung und Abwehr

Der Pflichtteil ist die verfassungsrechtlich garantierte Mindestteilhabe am Nachlass. Sie beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Pflichtteilsberechtigt sind stets nur die engsten Verwandten des Erblassers, die nach der gesetzlichen Erbfolge Erben werden und den Nachlass unter sich aufteilen würden: der Ehepartner, die Abkömmlinge und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Eltern.

Unsere Leistungen im Pflichtteilsrecht:

  • Durchsetzung und Abwehr des Pflichtteils und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
  • Durchsetzung und Abwehr von Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen
  • Einholung von Sachverständigengutachten zur Bewertung des Nachlasses
  • Anwaltliche Vertretung im Pflichtteilsprozess
  • Gestaltung von Pflichtteilsverzichtsverträgen
  • Entwicklung von Gestaltungsstrategien zur Pflichtteilsreduktion und Pflichtteilsvermeidung

Wer hat einen Pflichtteilsanspruch?

Wer in den Kreis der Pflichtteilsberechtigten fällt, definiert das BGB. Den Pflichtteil erhalten stets nur die engsten Verwandten des Erblassers:

  • der Ehegatte
  • die Abkömmlinge
  • wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind, die Eltern.

Nicht pflichtteilsberechtigt sind:

  • die Geschwister des Erblassers
  • entferntere Verwandte wie Großeltern oder Neffen und Nichten
  • Lebensgefährten

Ebenso verdrängt ein Repräsentant einer Erbordnung ihm nachfolgende Abkömmlinge. So hat beispielsweise ein Kind, das vom Erblasser enterbt worden ist, einen Pflichtteilsanspruch, nicht aber dessen eigenen Kinder. Das gilt jedenfalls so lange, wie das Kind selbst lebt oder aber zu Lebzeiten des Erblassers keinen notariellen Erbverzicht erklärt hat. Ein Pflichtteilsverzicht alleine lässt übrigens die Abkömmlinge noch nicht als pflichtteilsberechtigte Personen nachrücken.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteilsanspruch ist nach deutschem Recht immer ein Zahlungsanspruch in Geld. Der Pflichtteil richtet sich gegen den Nachlass. Teil der Erbengemeinschaft wird der Pflichtteilsberechtigte hingegen nicht. Erfüllen muss den Pflichtteil stets der Erbe. Nur ganz ausnahmsweise sind beschenkte Personen zur Zahlung direkt verpflichtet. Die im BGB geregelte gesetzliche Erbfolge bestimmt die Erb- und Pflichtteilsquoten im Erbfall. Die gesetzliche Erbfolge ist abhängig vom Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet war, vom Verwandtschaftsgrad und der Anzahl der ihm nahestehenden Personen. Der Pflichtteilsanspruch umfasst immer die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Will man den Pflichtteil ausrechnen, muss man also stets zunächst die gesetzliche Erbquote berechnen.

Erb- und Pflichtteilsquote des Ehegatten

Die Erbquote des Ehepartners hängt vom Güterstand ab und davon, welche anderen Erben noch beim Erbfall vorhanden und gesetzlich erbberechtigt sind. Ist die Ehe kinderlos geblieben, erbt der Ehegatte neben den Eltern des Erblassers oder neben dessen Geschwistern bzw. deren Abkömmlingen grundsätzlich zu einer Quote von 50%. Sind Kinder vorhanden, so beträgt der Erbteil des Ehegatten zunächst 25%.

Durch die drei im deutschen Recht existierenden Güterstände ergeben sich folgende Änderungen:

Zugewinngemeinschaft:

Wird eine Ehe ohne Ehevertrag geschlossen, gilt automatisch der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Der Erbteil setzt sich immer zusammen aus einem erbrechtlichen Teil (bei Kindern 1/4 – ohne Kinder 1/2). Hinzukommt eine weitere pauschale Erhöhung (güterrechtlicher Teil) von wiederum 1/4. Das bedeutet, dass der Ehegatte in einer Zugewinngemeinschaft neben Kindern insgesamt 1/4+1/4=1/2 gesetzlichen Erbteil erhält (ohne Kinder und neben Eltern: 1/2+1/4=3/4). Wenn es um die Berechnung des Pflichtteils geht, ist Bemessungsgrundlage lediglich der erbrechtliche Teil, also bei Kindern 1/4 und davon die Hälfte = 1/8. Ohne Kinder neben Eltern 1/2 und davon die Hälfte = 1/4.

Gütergemeinschaft:

Lebten die Eheleute im Güterstand der Gütergemeinschaft, so bleibt es bei den nicht erhöhten 25%, wenn Kinder vorhanden sind. Die Erbquote bei kinderlosen Ehen bleibt davon unberührt.

Gütertrennung:

Bei Gütertrennung hängt der Erbteil des Ehegatten ab von der Anzahl der Kinder. Sie liegt dann zwischen 50% (ein Kind) und fällt ab drei Kindern auf minimal 25% ab. Die Erbquote bei kinderlosen Ehen bleibt davon unberührt.

Es ergibt sich danach abhängig von der Anzahl der Kinder und der weiteren nahen Verwandten folgende Übersicht zur Pflichtteilsquote des Ehegatten des (sog. kleiner Pflichtteil):

Güterstand: Anzahl der noch lebenden Kinder (Stämme) Keine Abkömmlinge, ABER Eltern, deren Abkömmlinge oder Großeltern vorhanden Keine Abkömmlinge / Eltern / deren Abkömmlinge oder Großeltern vorhanden
  1 2 >2    
Zugewinngemeinschaft 1/8 1/8 1/8 1/4 1/2
Gütertrennung 1/4 1/6 1/8 1/4 1/2
Gütergemeinschaft 1/8 1/8 1/8 1/4 1/2

Erb- und Pflichtteilsquoten der Kinder des Erblassers

Die Erbquoten der Kinder sind ebenfalls abhängig davon, ob und in welchem Güterstand der Erblasser verheiratet war. Zudem spielt es auch eine Rolle, wie viele Abkömmlinge der Erblasser hinterlassen hat. Kinder teilen nämlich die restliche Erbquote, die nicht auf den Ehegatten entfällt, untereinander zu gleichen Teilen und nach Stämmen auf. Innerhalb der Stämme gilt das sog. Repräsentationsprinzip: Ein zum Zeitpunkt des Erbfalls lebender Abkömmling repräsentiert den nach ihm folgenden Stamm. Er schließt alle übrigen, ihm nachfolgenden Personen seines Stammes aus. War der Erblasser unverheiratet oder ist er verwitwet, erben die Kinder alleine und nach Stämmen zu gleichen Teilen.

Es ergibt sich danach abhängig von der Anzahl der Kinder und vom Güterstand, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet war, folgende Übersicht zu den Pflichtteilsquoten der Kinder:

Pflichtteil der Abkömmlinge bei Zugewinnehe der Eltern und bei verwitwetem/unverheiratetem Erblasser:

Anzahl der Kinder Erbrechtliche Lösung, d.h. Ehegatte hat die Erbschaft angenommen Güterrechtliche Lösung, d.h. Ehegatte hat die Erbschaft ausgeschlagen / ist enterbt Erblasser war verwitwet oder unverheiratet
1 1/4 3/8 1/2
2 1/8 3/16 1/4
3 1/12 1/8 1/6
4 1/16 3/32 1/8
5 1/20 3/40 1/10

Pflichtteil der Abkömmlinge des Erblassers bei Gütertrennung der Eltern:

Anzahl der Kinder Ehegatte hat die Erbschaft angenommen Ehegatte hat die Erbschaft ausgeschlagen
1 1/4 1/4
2 1/6 1/6
3 1/8 1/8
4 3/32 3/32
5 3/40 3/40

Pflichtteil der Abkömmlinge des Erblassers bei Gütergemeinschaft der Eltern:

Anzahl der Kinder Ehegatte hat die Erbschaft angenommen Ehegatte hat die Erbschaft ausgeschlagen
1 3/8 1/2
2 3/16 1/4
3 1/8 1/6
4 3/32 1/8
5 3/40 1/10

Erb- und Pflichtteilsquote der Eltern des Erblassers

Auch den Eltern des Erblassers kann in bestimmten Fällen ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zustehen. Das ist dann der Fall, wenn der Erblasser entweder keine Abkömmlinge und keinen Ehegatten hinterlassen hat oder wenn er zwar verheiratet war, aber kinderlos verstorben ist.

Es ergibt sich danach folgende Übersicht zu den Pflichtteilsquoten der Eltern des Erblassers - sofern der Ehegatte Erbe wird:

  Erblasser alleinstehend / verwitwet und kinderlos Erblasser verheiratet / eingetragen verpartnert und kinderlos
    Zugewinngemeinschaft Gütertrennung / Gütergemeinschaft
Beide Eltern leben 1/4 1/16 1/8
Nur ein Elternteil lebt noch 1/2 1/8 1/4

Ist der Ehegatte enterbt oder hat er die Erbschaft ausgeschlagen, ergeben sich folgende Pflichtteilsquoten:

  Erblasser verheiratet / eingetragen verpartnert und kinderlos
Beide Eltern leben 1/8
Nur ein Elternteil lebt noch 1/4

Was ist der kleine Pflichtteil?

Unter dem sogenannten "kleinen Pflichtteil" versteht man den Pflichtteil des Zugewinn-Ehepartners, der sich aus der Hälfte der nicht erhöhten gesetzlichen Erbquote errechnet. Die Erbquote des Ehepartners setzt sich immer zusammen aus einem erbrechtlichen Teil und einem weiteren pauschalierten Viertel, mit dem der Zugewinn im Erbfall abgegolten wird (familienrechtlicher Teil).

Beispiel:

Neben den Kindern erbt der Zugewinn-Ehepartner erbrechtlich 1/4. Dieses erbrechtliche 1/4 wird pauschal um ein weiteres güterrechtliches 1/4 erhöht, so dass der Ehepartner neben Kindern des Erblassers zu 1/2 gesetzlicher Miterbe wird.

Der Pflichtteil umfasst stets die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Tatsächlich ist beim Zugewinn-Ehepartner Bemessungsgrundlage aber nicht der gesetzliche Erbteil von 1/2, sondern lediglich das erbrechtliche 1/4. Im Ausgangsfall beträgt der "kleine Pflichtteil" damit 1/8 - die Hälfte des erbrechtlichen Anteils von 1/4.

Es gibt demgegenüber auch den sogenannten "großen Pflichtteil", bei dem bei der Berechnung der Pflichtteilsquote tatsächlich zusätzlich zum erbrechtlichen auch der güterrechtliche Teil zugrunde gelegt wird. Im Ausgangsfall läge der "große Pflichtteil" damit bei 1/4 - der Hälfte des erbrechtlichen und des güterrechtlichen Teils von insgesamt 1/2. Der "große Pflichtteil" kommt allerdings nur ganz ausnahmsweise zum Tragen, nämlich dann, wenn

  • der Ehegatte auf eine Erbquote eingesetzt ist, die unter seinem Pflichtteil liegt (sog. Zusatzpflichtteil) oder
  • der Ehegatte testamentarisch oder erbvertraglich nur mit einem Vermächtnis bedacht wurde, dessen Wert ebenfalls unter dem Pflichtteil liegt (sog. Pflichtteilsrestanspruch).

Was sind Pflichtteilsergänzungsansprüche?

Pflichtteilsergänzungsansprüche können bei Schenkungen entstehen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigt hat. Das Gesetz schützt in diesen Fällen den Pflichtteilsberechtigten vor einer Aushöhlung des Nachlasses. Der Pflichtteilsberechtigte darf bei der Berechnung seines Anspruchs zusätzlich zum tatsächlich vorhandenen Nachlass auch den Wert der Schenkung zugrunde legen. Schenkungen sind regelmäßig dann pflichtteilsergänzungsrelevant, wenn sie nicht länger als maximal 10 Jahre vor dem Erbfall zurückliegen, wobei für jedes zurückliegende Jahr zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten ein Abschlag von 10% vom Wert gemacht werden darf. Das gilt allerdings nicht uneingeschränkt. So unterfallen Schenkungen unter Eheleuten nie einer Frist und sind damit immer bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen. Auch Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt oder unter Vorbehalt eines Wohnrechts am überwiegenden Teil der (Immobilien-) Schenkung hindern den Fristanlauf und müssen stets berücksichtigt werden, egal wie lange sie zurückliegen. Auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch muss sich der Pflichtteilsberechtigte zudem in allen Fällen unabhängig von jedem Fristlauf Eigengeschenke anrechnen lassen.

Wann kann man den Pflichtteil einfordern?

Anspruch auf den Pflichtteil hat man dann, wenn man zum einen zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehört und zum anderen im Testament oder im Erbvertrag übergangen wurde. Ein Anspruch besteht auch dann, wenn man im Testament oder Erbvertrag schlechter als mit dem Pflichtteil als Mindestteilhabe am Nachlass (also zu gering) berücksichtigt wurde oder aber, wenn man im Testament einen belasteten Erbteil zugewiesen bekommt und diesen Erbteil ausschlägt. Belastet ist ein Erbteil dann, wenn Testamentsvollstreckung oder eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet wurde. Ein Erbteil ist auch dann belastet, wenn der Erbe ein Vermächtnis auszahlen muss. Bei der Ausschlagung einer Erbschaft ist große Vorsicht geboten: Ein Pflichtteilsanspruch besteht nicht in allen Fällen. Schlägt der Erbe einen unbelasteten Erbteil aus, geht auch der Pflichtteil verloren.

Fristen für die Geltendmachung des Pflichtteils

Der Pflichtteil muss in einer bestimmten Frist geltend gemacht werden. Eine Verjährung tritt grundsätzlich nach drei Jahren ab Kenntnis vom Erbfall und vom Beeinträchtigungsgrund (Testament oder Erbvertrag) ein. Die Verjährung setzt dabei in den meistens Fällen mit dem Ende des Jahres ein, in dem der Erblasser verstorben ist. Lediglich dann, wenn sich der Anspruch im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ausnahmsweise nicht gegen den Erben, sondern gegen den Beschenkten direkt richtet, ist nicht das Jahresende für den Fristbeginn zugrunde zu legen, sondern der Tag des Erbfalls selbst (Stichtagsverjährung). Haben Minderjährige einen Pflichtteilsanspruch, beginnt die Verjährung zudem erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres zu laufen.

Pflichtteil zu Lebzeiten einfordern - ist das möglich?

Der Pflichtteil setzt stets voraus, dass eine Enterbung stattgefunden hat. Zwingend erforderlich ist deshalb, dass der Erblasser verstorben und der Erbfall bereits eingetreten ist. Eine Geltendmachung zu Lebzeiten des Erblassers ist gegen seinen Willen damit nicht möglich. Natürlich können aber im beiderseitigen Einvernehmen Regelungen zwischen dem künftigen Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten getroffen werden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang ein Pflichtteilsverzichtsvertrag gegen Abfindung. Der Abschluss eines solchen Vertrages ist stets freiwillig und muss zwingend notariell beurkundet werden. Auch im Rahmen eines Berliner Testaments können beim Tod des als erstes verstorbenen Elternteils Pflichtteilsansprüche zugunsten der enterbten Kinder entstehen. Das Berliner Testament durchbricht die gesetzliche Erbfolge. Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs ist aber auch hier der Tod eines Elternteils und die Enterbung des übergangenen Kindes, indem der länger lebende Ehegatte im Testament oder Erbvertag zum Alleinerben eingesetzt wurde.

Fazit

Der Pflichtteil ist ein eigenes Rechtsgebiet innerhalb des Erbrechts. Die Rechtslage ist oft kompliziert, wie ein Artikel zu den häufigen Irrtümern im Pflichtteilsrecht zeigt. Wichtig ist, dass der beratende Rechtsanwalt über ein hohes Maß an Erfahrung im Pflichtteilsrecht verfügt. Wir als erfahrene Kanzlei für Erbrecht in München und Stuttgart vertreten im Pflichtteilsrecht sowohl den Erben bei der Anspruchsabwehr als auch den Pflichtteilsberechtigten bei der Geltendmachung des Anspruchs. Dabei kümmern wir uns neben dem Zahlungsanspruch auch um Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche. Sprechen Sie uns gerne an!

Giuseppe Pranzo Giuseppe Pranzo
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