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03. Juni 2024

Die Gültigkeit von handgeschriebenen Testamenten

Die Gültigkeit von handgeschriebenen Testamenten

In seinem Beschluss vom 20.12.2023 (3 W 96/23) hat das Oberlandesgericht Oldenburg nun entschieden, dass selbst ein Brauereizettel, der hinter der Theke aufbewahrt wird, als Testament gelten kann.

Inhaltsverzeichnis

  1. Fallbeispiel: Testament auf einem Brauereizettel
  2. Wie erstellt man eigentlich ein Testament?
  3. Kann ein Testament auch widerrufen werden?
  4. Wann kann man ein Testament anfechten?

Fallbeispiel: Testament auf einem Brauereizettel

Der Verstorbene hatte im vorliegenden Fall seine Partnerin als Alleinerbin bestimmt. Festgehalten hat der ehemalige Gastwirt dies auf einem Bestellzettel seines Brauereiblocks, welchen er dann bei den unbezahlten Rechnungen im Gastraum verwahrte. Die Notiz „BB kriegt alles“ war mit Unterschrift und Datum versehen und bezog sich auf den Namen seiner Lebensgefährtin. Diese beantragte aus diesem Grund die Ausstellung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.

In diesem Erbscheinsverfahren musste dann geprüft werden, ob es sich bei der auf dem Bestellzettel hinterlassenen Notiz tatsächlich um ein Testament handelt, das die Lebensgefährtin des Erblassers als Alleinerbin vorsieht oder ob die gesetzliche Erbfolge gilt.

In einem Erbscheinsverfahren prüft das zuständige Nachlassgericht, ob die relevante Erklärung erbrechtlichen Charakter hat, echt ist und eigenhändig erstellt wurde. Die Beweislast für die Echtheit eines Testaments trägt derjenige, der ein Recht aus diesem ableitet. Hat das Gericht keine vernünftigen Zweifel an der Echtheit, so kann es von dieser ausgehen.

Im vorliegenden Fall konnte das Gericht anhand einer Vergleichsprobe der Handschrift von der Echtheit ausgehen. Der doch eher ungewöhnliche Verwahrungsort und das benutzte Schreibpapier konnten aufgrund der jahrelangen Arbeit des Erblassers in der Gastronomie keine weiteren Zweifel an der Echtheit aufwerfen. Der Verwahrungsort war für den Erblasser nicht nur Teil der Gaststätte, sondern aufgrund häufiger privater Aufenthalte auch passender Ort zur Verwahrung seiner privaten Unterlagen.

Probleme warf auch die Bezeichnung der Erbin auf, denn die Lebensgefährtin wurde lediglich mit dem Spitznamen „BB“ bezeichnet. Das Gericht konnte aufgrund der Gesamtumstände jedoch davon ausgehen, dass damit die Lebensgefährtin des Erblassers gemeint ist.

Besonderer Bedeutung kam vorliegend zudem der Frage zu, ob der zur Erstellung eines Testaments erforderliche Testierwille des Erblassers vorlag. Der Erblasser muss bei der Erstellung eines Testaments den Willen und das Bewusstsein haben, eine Verfügung von Todes wegen mit Rechtswirkung abzugeben, die als sein Testament gilt. Auf den Testierwillen kommt es gerade dann an, wenn die Verwahrung oder die Unterlage der Erklärung ungewöhnlich ist. In diesen Fällen ist der Nachweis eines solchen Willens erschwert.

Durch Zeugenbefragungen konnte vorliegend jedoch festgestellt werden, dass der Erblasser auch zuvor mehrmals über seinen Willen zur Errichtung eines Testaments gesprochen hatte und die Partnerin als Alleinerbin einsetzen wollte. Die Wahl der ungewöhnlichen Unterlage und der Verwahrungsort seiner letztwilligen Verfügung stehen dem nicht entgegen.

Das OLG Oldenburg stellt klar, worauf es bei der Testamentserrichtung ankommt - nämlich auf den Willen des Erblassers, ein Testament zu erstellen. Dabei ist ein Kneipenblock als Unterlage kein Ausschlusskriterium.

Wie erstellt man eigentlich ein Testament?

Die wichtigste Unterscheidung in einem Testament ist diejenige zwischen einem Erbe und einem Vermächtnis: Während der Erbe den gesamten Nachlass erwirbt und damit automatisch sowohl die Rechte als auch die Pflichten übernimmt, werden dem Vermächtnisnehmer konkrete Gegenstände zugewiesen, ohne diesen als Erbe einzusetzen.

Eine weitere bekannte Form, neben einem Testament über sein Vermögen von Todes wegen zu verfügen, ist der Erbvertrag, der nur notariell geschlossen werden kann.

Es gibt verschiedene Arten von Testamenten. Ordentliche Testamente können entweder durch Niederschrift eines Notars (notarielles Testament) oder eigenhändig durch den Erblasser selbst errichtet werden. Auch gibt es außerordentliche Testamentsformen, wie z.B. Konsulartestamente und Nottestamente.

A. Ordentliche Testamente

  1. Notarielles Testamen

    Das notarielle Testament wird auch als öffentliches Testament bezeichnet. In der Regel wird es durch persönliche Erklärung gegenüber dem Notar errichtet: Der Erblasser hat dem Notar persönlich seinen letzten Willen mitzuteilen, der dann eine Urkunde errichtet, die der Erblasser nach Verlesung durch den Notar im Rahmen eines Beurkundungstermins in Anwesenheit des Notars unterzeichnet. Eine Vertretung des Erblassers ist hierbei unzulässig.

  2. Eigenhändiges Testament

    Jede testierfähige Person kann sein Testament eigenhändig errichten. Dabei ist Folgendes zu beachten:

    • Testierfähigkeit: Die Testierfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, ein Testament zu errichten. Grundsätzlich ist jeder nach Vollendung des 16. Lebensjahres testierfähig, es sei denn er ist aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage, die Rechtsfolgen seiner Erklärung zu verstehen. Vor Vollendung des 18. Lebensjahres können Minderjährige ihr Testament nur notariell (öffentlich) errichten.
    • Testierwille: Der Verfasser des Testaments muss zu erkennen geben, dass es sich bei seiner Erklärung auch wirklich um ein Testament mit entsprechender Rechtswirkung handeln soll und nicht lediglich ein Entwurf vorliegt. Anzuraten sind hier Bezeichnungen wie „Testament“, „Mein letzter Wille“ oder Ähnliches, die einen solchen Testierwillen verdeutlichen.
    • Eigenhändigkeit: Notwendig ist, dass der Erblasser das Testament selbst abschreibt, und zwar von oben bis unten. Es reicht nicht aus, dass es nur mittelbar mithilfe einer Schreibmaschine, eines Computers oder eines Smartphones geschrieben wird. Dies soll vor nicht erkennbarer Fälschung schützen und verdeutlicht den Charakter eines Testaments als sog. höchstpersönliche Erklärung.
    • Zeit und Ort: Die Erklärung soll erkennen lassen, an welchem Datum und an welchem Ort sie geschrieben wurde. Dies ist streng genommen jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung eines eigenhändigen Testaments.
    • Unterschrift: Das Dokument muss zwingend vom Erblasser unterschrieben werden, und zwar als räumlicher Abschluss des Testaments am Ende des Textes.
    • Verwahrung: Das Testament darf an jedem Ort aufbewahrt werden, an dem es später auch gefunden werden kann. Um allerdings sicherzustellen, dass das Testament nicht verloren geht oder verfälscht wird, kann es auch dem Amtsgericht zu Verwahrung übergeben werden (sog. besondere amtliche Verwahrung).

B. Außerordentliche Testamente

Es existieren die folgenden Formen sog. außerordentlicher Testamente:

  1. Nottestament vor dem Bürgermeister

    Das Testament kann auch unter bestimmten Umständen zur Niederschrift des Bürgermeisters der Gemeinde, in der sich der Erblasser aufhält, errichtet werden. Dabei ist Folgendes zu beachten:

    • Besorgnis des Bürgermeisters: Der Bürgermeister muss die Besorgnis haben, dass der Erblasser früher sterben wird, als die Errichtung eines Testaments vor einem Notar möglich ist.
    • Testierfähigkeit: Auch für das Nottestament ist das Vorliegen der Testierfähigkeit Voraussetzung.
    • Zeugen: Während der gesamten Beurkundung müssen zwei Zeugen anwesend sein. Sie dürfen nicht selbst im Testament bedacht werden.
    • Gültigkeit: Das Nottestament verliert seine Gültigkeit nach drei Monaten, sollte der Erblasser diesen Zeitraum überleben.
    • Niederschrift: Zur Dokumentation wird eine Niederschrift angefertigt. Sie umfasst die beteiligten Personen, den Bürgermeister und natürlich den letzten Willen des Erblassers. Ist es dem Erblasser nicht möglich, selbst zu unterschreiben, so kann das vermerkt werden und die Unterschrift des Erblassers wird durch die Feststellung dieser Angabe ersetzt.
    • Verwahrung: Das Nottestament ist zu versiegeln und sodann unverzüglich an das Amtsgericht zur amtlichen Verwahrung zu übergeben.

  2. Nottestament vor drei Zeugen

    Ein sogenanntes Dreizeugentestament kann errichtet werden, wenn weder Notar noch Bürgermeister zu erreichen sind. Bei einem solchen Nottestament handelt es sich um eine Privaturkunde, die in der Praxis vor allem im Krankenhaus errichtet wird. Es gilt:

    • Grund für das Nottestament: Damit ein solches Nottestament errichtet werden kann, muss der Erblasser an einem Ort sein, der ihn derart „absperrt“, dass die Möglichkeit eines Testaments vor einem Notar oder einem Bürgermeister ausgeschlossen ist. Hierzu zählen beispielsweise Gründe wie Verschüttungen, Lawinen, Überschwemmungen oder Wegzerstörungen. Zudem muss sich der Erblasser in Todesgefahr befinden oder es muss eine dauerhafte Testierunfähigkeit drohen.
    • Zeugen: Das Nottestament wird durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichtet, die während des gesamten Errichtungsvorgangs zugegen sein müssen. Ehegatten, Lebenspartner und Personen, in gerade Linie mit dem Erblasser verwandt sind, sind von der Beteiligung als Zeuge ausgeschlossen.
    • Eigenhändigkeit: Notwendig ist, dass der Erblasser das Testament selbst abschreibt, und zwar von oben bis unten. Es reicht nicht aus, dass es nur mittelbar mithilfe einer Schreibmaschine, eines Computers oder eines Smartphones geschrieben wird. Dies soll vor nicht erkennbarer Fälschung schützen und verdeutlicht den Charakter eines Testaments als sog. höchstpersönliche Erklärung.
    • Mündliche Erklärung: Der Erblasser muss seinen Willen mündlich in Anwesenheit der Zeugen erklären.
    • Niederschrift: Das Testament ist zwingend in einer Niederschrift noch zu Lebzeiten des Erblassers festzuhalten. Die Niederschrift bedarf der Genehmigung des Erblassers. Hier genügt ein „Ja“ des Erblassers, ggfs. Aber auch Kopfnicken und Gebärden.
    • Gültigkeit: Auch das Dreizeugentestament verliert seine Gültigkeit, wenn der Erblasser den Zeitraum von drei Monaten nach Errichtung des Testaments überlebt.
  3. Nottestament auf See

    Ein Nottestament kann auch an Bord eines deutschen Schiffes während einer Seereise außerhalb eines inländischen Hafens errichtet werden. Es handelt sich bei einem solchen Testament um ein Dreizeugentestament, welches durch eine mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichtet wird, wobei eine Niederschrift zu fertigen ist.

  4. Konsulartestamente

    Beurkundete Testamente von Konsularbeamten, die eine Befähigung zum Richteramt haben oder vom Auswärtigen Amt ermächtigt sind, sind solchen von inländischen Notaren gleichzusetzen.

C. Gemeinschaftliches Testament

Möglich ist auch die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments durch Ehegatten. Diese können ihre letztwilligen Verfügungen mit unabhängigem Inhalt voneinander in einem gemeinschaftlichen Testament verfügen (sog. äußerlich gemeinschaftliches Testament), sich gegenseitig als Erben einsetzen ohne dabei die Verfügungen voneinander abhängig zu machen (sog. gegenseitiges gemeinschaftliches Testament) oder ihre Verfügungen in Wechselbeziehung zueinander stellen und damit eine Abhängigkeit bezüglich der Wirksamkeit der einzelnen Erklärungen zueinander und damit einhergehend eine Bindungswirkung herstellen (sog. wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament).

Kann ein Testament auch widerrufen werden?

Das Testament als Ganzes oder auch einzelne enthaltene Verfügungen können widerrufen werden. Notwendig ist in jedem Fall die Testierfähigkeit sowie der Testierwille bezogen auf die Aufhebung des bisher geltenden Testaments bzw. der bisher geltenden Verfügungen. Folgende Möglichkeiten bestehen:

  • Widerrufstestament: Der Erblasser kann durch Errichten eines Widerruftestaments das alte Testament widerrufen.
  • Vernichtung oder Veränderung: In der Vernichtung durch Zerstörung des Testaments oder Veränderung legt der Erblasser seinen Willen dar, sein Testament zu widerrufen.
  • Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung: Die Rücknahme des amtlich verwahrten öffentlichen Testaments gilt als Widerruf, nicht jedoch die Rücknahme des eigenhändigen Testaments. Die Rückgabe kann stets nur an den Erblasser persönlich erfolgen.
  • Späteres widersprechendes Testament: Bei Errichtung eines späteren Testaments wird auf den letzten Willen des Erblassers abgestellt. Vorherige, widersprüchliche Testament gelten unter Umständen als widerrufen.

Wann kann man ein Testament anfechten?

Unabhängig von der Art des Testaments kann grundsätzlich jedes Testament angefochten werden. Es bedarf hierfür allerdings eines Anfechtungsgrunds. Ein solcher kann sich aus einem Irrtum des Erblassers über den Inhalt (Inhaltsirrtum), seiner abgegebenen Erklärung (Erklärungsirrtum) oder dem Unterliegen fehlerhafter Umstände, die zur Errichtung des Testaments geführt haben (Motivirrtum) ergeben.

Weiterhin ist eine Anfechtung dann möglich, wenn der Erblasser die Verfügung aufgrund einer widerrechtlichen Drohung abgegeben hat.

Auch besteht die Möglichkeit einer Anfechtung, wenn der Erblasser in Unkenntnis über das Vorhandensein eines Pflichtteilsberechtigten (insbesondere Kinder) das Testament errichtet hat.

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