Die eigene Vermögensnachfolge kann grundsätzlich jeder nach seinen Wünschen und Vorstellungen planen. Das Gesetz setzt aber gewisse Grenzen, innerhalb derer sich der Erblasser bewegen sollte, will er nicht rechtliche oder steuerrechtliche Nachteile in Kauf nehmen. Zum einen haben nahe Angehörige – z.B. der Ehegatte und die Abkömmlinge – ein Pflichtteilsrecht. Selbst bei Enterbung steht ihnen daher ein Zahlungsanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils gegen den Erben zu. Dieser Anspruch bezieht sich unter bestimmten Voraussetzungen aber auch auf Schenkungen, die vor dem Erbfall geflossen sind. Zum anderen unterliegen sowohl lebzeitige Zuwendungen als auch Zuwendungen von Todes wegen der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Steuerfrei kann das Vermögen daher nur innerhalb der gesetzlichen Steuerfreibeträge weitergegeben werden.
Zur Umgehung dieser vom Gesetz vorgegebenen Grenzen wird mit unterschiedlichen Mitteln gearbeitet. Ein in der Vermögensnachfolgeplanung versierter Berater kennt in diesem Zusammenhang die sog. Güterstandsschaukel. Sie beinhaltet einen legalen Trick, um die ungewünschten Effekte – Generierung einer Schenkungsteuer oder eines Pflichtteilsanspruchs – zu verhindern.
Es gibt familiäre Konstellationen, in denen die Eltern eines oder mehrere Kinder möglichst nicht an ihrem Nachlass teilhaben lassen wollen. In einem solchen Fall besteht zwar die Möglichkeit einer Enterbung, allerdings werden dann Pflichtteilsansprüche des enterbten Kindes ausgelöst. Um diese so gering wie möglich zu halten, muss versucht werden, den Wert des Nachlasses bereits zu Lebzeiten zu reduzieren.
Lebzeitige Schenkungen sind hierzu allerdings nicht immer geeignet. Jedem Pflichtteilsberechtigten steht auch einen sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Macht der Erblasser zu seinen Lebzeiten Schenkungen, so wird so getan, als wäre die Schenkung nie erfolgt und ihr Wert fiktiv zum Nachlass wieder hinzugerechnet und hieraus dann der Pflichtteil berechnet. Zwar regelt das Gesetz, dass die Schenkung nur dann dem Nachlass voll hinzugerechnet werden muss, wenn seit der Schenkung bis zum Erbfall nicht mehr als ein Jahr vergangen ist. Jedes weitere Jahr wird dann um jeweils 10% weniger berücksichtigt. Allerdings gilt diese Abschmelzungsregel nur dann, wenn der Erblasser den verschenkten Vermögensgegenstand wirtschaftlich tatsächlich aus der Hand gegeben hat. Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn er sich an einer Immobilie ein Nießbrauchrecht vorbehalten hat. Zu beachten ist außerdem, dass bei Schenkungen unter Ehegatten niemals die Zehnjahresfrist zu laufen beginnt und damit die Schenkung stets, d.h. unabhängig davon, wie lange sie zurückliegt, bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu berücksichtigen ist. Das Verschenken von wertvollen Nachlassgegenständen führt also nicht immer zu der gewünschten Pflichtteilsreduzierung.
Sinnvoll sind daher Konstruktionen, mit deren Hilfe Vermögen übertragen wird, ohne dabei eine Schenkung zu generieren.
M ist seit 15 Jahren mit F verheiratet, einen Ehevertrag haben die beiden nicht geschlossen. Sie haben eine gemeinsame Tochter T. Aus einer früheren Beziehung hat M einen Sohn S, der seit Jahren den Kontakt zu M ablehnt. M hatte bei Eheschließung mit F ein Einfamilienhaus im Wert von 600.000 EUR, welches aufgrund der steigenden Immobilienpreise inzwischen 1,5 Mio. EUR wert ist. F verfügte weder bei der Heirat noch jetzt über nennenswertes Vermögen. M möchte, dass sein Sohn S nach seinem Tod nichts oder möglichst wenig von seinem Vermögen erhält.
Da M und F keinen Ehevertrag abgeschlossen haben, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der F stünde damit ein gesetzlicher Erbteil von 1/2 zu, den beiden Kindern S und T ein Erbteil von je 1/2. S hätte damit beim Tod des M einen Pflichtteilsanspruch von 1/8, das wäre beim derzeitigen Vermögen von 1,5 Mio. EUR ein Anspruch in Höhe von 187.500 EUR.
Eine Verringerung des Pflichtteils durch Schenkungen unter Ehegatten kommt nicht in Betracht. Eine Schenkung an F würde Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Eine Abschmelzung findet bei Schenkungen unter Ehegatten nicht statt. Auch eine Schenkung an T scheidet aus, da M darauf angewiesen ist, das Haus weiterhin selbst zu nutzen. Bei einer Schenkung unter Nießbrauchvorbehalt läuft aber wiederum die Zehnjahresfrist nicht an.
In Betracht kommt nämlich, den Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau zu nutzen. Sind die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet, so muss bei Beendigung des Güterstandes jeder Ehegatte an den anderen Ehegatten Ausgleich in Höhe der Hälfte des von ihm während der Ehe erzielten Zugewinns leisten. Grundsätzlich wird der Güterstand erst mit der Scheidung oder dem Tod eines Ehegatten beendet, ein Zugewinnausgleichsanspruch kann jedoch auch mit dem Wechsel in einen anderen Güterstand ausgelöst werden.
M und F haben daher die Möglichkeit, durch Ehevertrag in den Güterstand der Gütertrennung zu wechseln, mit der Folge, dass ein Zugewinnausgleich durchzuführen ist. Das geschieht mittels notariell zu beurkundendem Ehevertrag. Da F während der Ehe keinen Zugewinn erzielt hat, gibt es von ihrer Seite nichts auszugleichen. M hat einen Wertzuwachs an der Immobilie in Höhe von 900.000 EUR erzielt, er muss also an F einen Zugewinnausgleich in Höhe von 450.000 EUR bezahlen. Die Zahlung des Zugewinnausgleichs stellt keine Schenkung dar, sie löst also auch keine Pflichtteilsergänzungsansprüche aus. Durch den Güterstandwechsel kann der Nachlass des M – und damit auch der Pflichtteilsanspruch des S – also um fast 1/3 reduziert werden.
Zu beachten ist jedoch, dass der Wechsel in den Güterstand der Gütertrennung zur Folge hat, dass sich die Erbquoten – und damit auch die Pflichtteilsquoten – verändern. Bei der Zugewinngemeinschaft beträgt der gesetzliche Erbteil des Ehegatten neben den Abkömmlingen insgesamt 1/2, während er bei Gütertrennung neben zwei Abkömmlingen nur 1/3 beträgt. Der Wechsel führt daher zwar zur Reduzierung des Nachlasses, im Gegenzug ist S aber zu einer höheren Quote am Nachlass beteiligt. Um eine optimale Reduzierung des Pflichtteilsanspruchs zu erreichen, sollte deshalb wieder in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft zurückgewechselt werden. Das ist allerdings risikobehaftet, da ein Wechsel des Güterstandes allein zum Zwecke der Umgehung des Pflichtteilsrechts grundsätzlich nicht zulässig ist. Es ist daher sinnvoll, eine gewisse Zeit – in der Regel mindestens ein Jahr – abzuwarten, bis per notariellem Ehevertrag wieder in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft zurückgewechselt wird.
Die Güterstandsschaukel wird jedoch keineswegs nur zur Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen eingesetzt. Vielmehr kann sie auch der Steuerreduktion dienen. Da es sich beim Ausgleich des Zugewinns auch steuerrechtlich nicht um eine Schenkung handelt, fällt bei der Zahlung des Ausgleichs keine Schenkungssteuer an.
Gerade bei großen Vermögen ist es wichtig, die Vermögensnachfolge gut zu planen, um das Vermögen ohne große Einbußen an die nächste Generation weitergeben zu können. Eine gleichmäßige Verteilung des Vermögens auf beide Ehegatten ist dabei im Hinblick auf die Steuerfreibeträge der Kinder sinnvoll. Jedes Kind hat nämlich nach jedem Elternteil einen Freibetrag in Höhe von 400.000 EUR. Verfügt nur ein Elternteil über nennenswertes Vermögen, so werden die Freibeträge der Kinder nach dem anderen Elternteil nicht genutzt, was zu einer erhöhten Steuerlast führt. Da auch der Ehegatte nur einen Steuerfreibetrag in Höhe von 500.000 EUR hat, kann durch Instrumente wie die Güterrechtsschaukel weiteres Vermögen steuerfrei unter Ehegatten übertragen werden.
Auch Ehepaaren, die bereits in Gütertrennung verheiratet sind, steht das Instrument der Güterstandsschaukel zur Steuerreduktion zur Verfügung. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft kann nämlich auch im Nachgang mittels notariellem Ehevertrag rückwirkend auf den Tag der Eheschließung vereinbart werden. Wenn ein in Gütertrennung lebendes Ehepaar den Güterstand der Zugewinngemeinschaft rückwirkend begründet und im Anschluss nach Verstreichenlassen einer Schamfrist wieder zurück in die Gütertrennung schaukelt, entsteht eine Zugewinnausgleichsforderung. Diese Forderung kann zur gleichmäßigen Verteilung des Vermögens an die Kinder genutzt werden.
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